Ein 11-jähriger Junge erzählt vom seinem Leben als Jude in Köln
Wenn Aaron den Gottesdienst besucht, geht er in die Synagoge. Dann trägt er eine Kopfbedeckung, die man Kippa nennt. Das ist meist am heiligsten Tag der Woche der Fall – am Schabbat, dem Samstag. Na, hast du schon erraten, um welche Religion es hier geht? Genau, Aaron ist Jude. So wie gut 4000 andere Menschen in Köln. Zum Vergleich: In der Stadt lebt rund eine Million Menschen. 2021 feierten die Kölner Juden ein ganz besonderes Jubiläum: Seit 1700 Jahren leben Juden hier in der Stadt! Deswegen will Aaron euch heute ein bisschen mehr über sich und seine Religion erzählen.
Die Feste
„Das heiligste Fest ist Jom Kippur“, erklärt Aaron. Die Juden glauben, dass Gott ihnen an diesem Tag ihre Sünden vergibt. Deswegen verbringen sie dann viel Zeit in der Synagoge und beten. „Alle Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf oder 13 Jahren fasten dann eine Nacht und einen Tag lang, sie dürfen also nichts essen und trinken.“ Weil Aaron erst elf Jahre alt ist, macht er noch nicht mit. „Mein Lieblingsfest ist aber Chanukka“, sagt Aaron. Das sogenannte Lichterfest wurde 2021 vom 28. November und bis zum 6. Dezember gefeiert. Jeden Tag wird eine Kerze mehr an einem neunarmigen Leuchter entzündet, man trifft sich mit der Familie und Freunden – und isst viele Berliner und Reibekuchen. „Vor allem am ersten Tag gibt es auch Geschenke“, erzählt Aaron. „Mir gefällt die schöne Atmosphäre an Chanukka und dass man so viel mit der Familie zusammen ist.“ Und was macht Aaron an christlichen Feiertagen wie Weihnachten, wenn alle Geschäfte und die Schule geschlossen sind? „Wir feiern zwar kein Weihnachten, aber wir treffen uns dann immer mit Freunden und Verwandten. Und unsere christlichen Freunde bekommen auch Geschenke.“
Der Schabbat
„Der Schabbat ist der Ruhetag der Juden, so ähnlich wie der Sonntag bei den Christen“, sagt Aaron. Los geht es schon am Freitagabend: Dann besuchen Aaron und seine Eltern die Großeltern, auch Freunde kommen dorthin. „Dann zünden wir Schabbat-Kerzen an, und segnen mit einem Gebet Brot und Wein. Und meine Oma macht ganz leckeres Essen.“ Übrigens: Juden essen kein Schweinefleisch und nie Fleisch, das zusammen mit Milch zubereitet wurde. Am Samstagmorgen geht Aaron oft in die Synagoge zum Morgen-Gottesdienst. Der dauert zwei bis drei Stunden, es wird gebetet und gesungen. „Die Kinder müssen während des Gottesdienstes aber nicht still sitzen, wir können auch herumlaufen.“ Wenn Aaron 13 ist, feiert er das Fest Bar Mitzwa, das ist so ähnlich wie die Kommunion. Danach zählt er zu den Männern. Aaron erzählt, dass streng gläubige Juden an Schabbat außer in die Synagoge gehen und essen, nicht viel machen dürfen. Bei ihm und seiner Familie geht es aber lockerer zu. „Wenn ich samstags ein Spiel mit meinem Fußballverein oder vom Tennis habe, gehe ich nach der Synagoge auch dort hin.“
Die Schule
Als Aaron klein war, hat er einen Kindergarten für jüdische Kinder besucht. Danach war er auf der jüdischen Grundschule in Köln-Ehrenfeld. „Die Schule ist total klein, in jeder Jahrgangsstufe gibt es nur eine Klasse mit rund 20 Kindern.“ In der Schule wird neben den üblichen Fächern auch Hebräisch unterrichtet. Das ist die Sprache der Juden. „Hebräisch ist richtig schwer, aber ich kann das mittlerweile relativ flüssig sprechen, schreiben und lesen.“ Vor allem im Urlaub in Israel kann er sich so ganz gut verständigen, erzählt Aaron. Das ist natürlich praktisch. In dem Land im Nahen Osten leben viele Juden, auch Aaron hat dort Verwandte. Mittlerweile besucht der Elfjährige die sechste Klasse des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Köln. Wenn die anderen Kinder Religionsunterricht haben, hat Aaron das Fach „Praktische Philosophie“. „Jeden Donnerstagnachmittag habe ich zusammen mit anderen jüdischen Kindern aber noch extra jüdischen Religionsunterricht in der Synagoge“, erzählt er. Und die Note aus diesem Unterricht steht sogar auf seinem Zeugnis! Und was sind Aarons Lieblingsfächer? „Sport und Latein.“
Hintergrund: „Antisemitismus“
Wenn Erwachsene über das Judentum reden, fällt oft das Wort Antisemitismus. Damit beschreibt man Menschen, die schlecht über Juden denken und sprechen, sie ausgrenzen, berauben, verfolgen oder sogar ermorden. Besonders schlimm war der Antisemitismus in Deutschland zwischen 1933 und 1945, als Adolf Hitler und die Nazis in Deutschland regiert haben. Aber auch heute gibt es noch Antisemitismus und Anschläge gegen Juden. Deswegen werden Synagogen fast immer von der Polizei bewacht. Aaron sagt, dass er noch nie blöd behandelt wurde, weil er Jude ist. „Aber ich habe schon gehört, wie Leute schlecht über Juden gesprochen haben.“ Und sowas macht ihn natürlich ziemlich traurig.
Von Angela Sommersberg
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