Schreibt man das Wort „abends“ groß oder klein? Beginnt „Vater“ mit „V“ oder „F“? Manchmal ist es schwer, alles richtig zu schreiben. Aber wer denkt sich eigentlich die Regeln fürs Schreiben aus? Und wäre es nicht viel einfacher, wenn jeder so schreiben könnte, wie er möchte? „Nein“, sagt der Sprachwissenschaftler Professor Günther Thomé. Mit ihm haben wir uns über den Sinn von Rechtschreibung unterhalten.
Warum schreiben wir gleich?
Vor 500 Jahren haben die Leute noch das gemacht, was du dir wahrscheinlich oft im Deutsch-Diktat wünschst: Sie haben geschrieben, wie sie wollten. „Ich habe Original-Texte von Martin Luther gelesen, der die Bibel ins Deutsche übersetzt hat“, sagt Günther Thomé. „Er hat ein und dasselbe Wort auf einer Seite dreimal unterschiedlich geschrieben.“ Und Luthers Freunde und Feinde haben wieder vollkommen anders geschrieben.
Jeder hatte seine eigene Rechtschreibung. Das hört sich erstmal toll an. Aber: Schreib doch mal einen Tag lang wie du willst. Und dann guck dir deinen Text drei Wochen später noch mal an. Vermutlich wirst du ihn selbst nicht mehr lesen können. Wenn jeder schreiben würde, wie er möchte, könnte er sich selbst und andere also nicht mehr verstehen. Deswegen bemühen sich die Menschen seit etwa 500 Jahren um eine einheitliche deutsche Rechtschreibung.
Wer bestimmt die Regeln?
Bis vor mehr als hundert Jahren haben Sprach-Experten und wichtige Leute die deutsche Rechtschreibung immer wieder erneuert. „Seitdem sind nur noch kleinere Sachen verändert worden“, sagt Günther Thomé. Er und andere Sprachwissenschaftler an Universitäten überprüfen immer wieder, was man in der Rechtschreibung noch verbessern und vereinfachen könnte. Doch natürlich kann man sie nicht jedes Jahr ändern – das würde ja alle verwirren.
Einige Wissenschaftler haben sich aber neue Schreib-Regeln ausgedacht. Heute vor 20 Jahren haben sie sich damit durchgesetzt. Aber nur die Bildungsminister aus allen Bundesländern durften entscheiden, dass die neuen Regeln umgesetzt werden. Auch in Ländern wie Österreich und der Schweiz gelten die neuen Regeln. Daraufhin mussten viele Bücher und Texte geändert und neu gedruckt werden.
Was passiert mit dem „ß“?
Wenn deine Oma eine Postkarte mit „Kuß“ unterschreibt, wunderst du dich vielleicht. Das ist nach den alten Regeln richtig, nach den neuen aber falsch. Die Regel für „ß“ besagt: Bei Wörtern mit einem kurzen Vokal kommt ein „ss“, bei Worten mit langem Vokal ein „ß“. Weil du den Buchstaben „u“ in Kuss schnell aussprichst, folgen zwei „s“. Bei Gruß ist das „u“ lang, deswegen folgt ein „ß“. „Die neue Regel ist viel logischer als die alte“, sagt Günther Thomé. „Denn bei anderen Wörtern mit kurzem Vokal kommen auch zwei Konsonanten. Zum Beispiel bei „Fell“ oder „kommen“.“
Bei einer anderen Änderung geht es um drei Konsonanten. „Schifffahrt“ schreibt man heute mit drei „f“. Eigentlich logisch, denn „Schiff“ endet auf zwei „f“ und „Fahrt“ beginnt mit einem „f“. Aber früher dachte man wohl, dass drei „f“ den Leser verwirren. Insgesamt gibt es heute immer noch einige Menschen, die mit den Änderungen nicht einverstanden sind. „Aber ich finde, dass viele der neuen Regeln klarer sind“, sagt Günther Thomé.
Warum schreibt man oft anders als man spricht?
1. Leute, also Menschen, schreibt man mit „eu“. Den Satz „Ich läute an der Glocke“ aber mit „äu“. „Das liegt daran, dass läuten von laut kommt“, sagt Günther Thomé.
2. Wenn zwei Wörter gleich klingen, aber eine andere Bedeutung haben, schreibt man sie verschieden. So kann man sie besser unterscheiden. Zum Beispiel: viel und fiel.
3. Vater wird mit „V“ geschrieben, obwohl man das Wort mit „F“ spricht – das hat keinen besonderen Grund.
4. Im Deutschen werden Wörter häufiger groß geschrieben als in anderen Sprachen. Auch das hilft beim Lesen, sagt Günther Thomé. Man erkennt viel schneller, was das Nomen (groß geschrieben) und was das Verb (klein geschrieben) ist.
Von Angela Sommersberg
The post Warum ist Rechtschreibung wichtig? appeared first on Duda.news.