Wusstest du, dass Schuhe heiraten können? Wenn das Oberteil des Schuhs an die Sohle genäht wird, nennen Experten das Hochzeit. Und wie bei einer Hochzeit zwischen zwei Menschen, muss vorher viel geplant und organisiert werden. Etwa 50 verschiedene Schritte machen die Arbeiter, bevor der obere Teil des Schuhs an die Sohle genäht werden kann. Wir waren in der „Gläsernen Schuhfabrik“ in Hauenstein und haben uns erklären lassen, wie Schuhe produziert werden.
Das Schuhdorf Hauenstein
Hauenstein liegt im Pfälzer Wald, an der Grenze zu Frankreich. Manche sagen zu dem Ort Schuhdorf. Denn in der Region werden seit ungefähr 250 Jahren Schuhe hergestellt. Wie das kam, erzählt uns Willy Schächter aus dem Deutschen Schuhmuseum: Damals kam ein Prinz mit vielen Soldaten in die Region und gründete eine Militärstation. Als der Prinz starb, wurden die Soldaten und ihre Familien arbeitslos. Deswegen begannen sie, aus den alten Uniformen Pantoffeln herzustellen.
Die erste Fabrik
Weil die Leute mit den Pantoffeln erfolgreich waren, gründete ein Mann namens Peter Kaiser im Jahr 1838 in der Stadt Pirmasens die erste Schuh-Fabrik Deutschlands. Viele Leute aus Hauenstein arbeiteten dort. Weil sie aber irgendwann keine Lust mehr hatten, 20 Kilometer bis nach Pirmasens zu wandern, dachten sich zwei Brüder: Das können wir auch. Carl August und Anton Seibel gründeten 1886 die erste Schuh-Fabrik in Hauenstein. Die gibt es heute noch – und dort ist die Gläserne Schuhfabrik von Seibel. Sie heißt gläsern, weil Touristen den Arbeitern über die Schulter gucken können.
40 Arbeiter
Paul Bernsdorf arbeitet bei Seibel in Hauenstein. Er überlegt sich neue Männerschuhe für das nächste Jahr und zeichnet davon einen Plan. Nach diesem Plan stellen die 40 Arbeiter in der Gläsernen Schuhfabrik einen Probeschuh her. In drei langen Reihen sitzen Frauen an Schreibtischen. Viele von ihnen haben eine Nähmaschine vor sich, die Stepp-Maschine heißt. „Bis der Schuh fertig ist, wandert er durch die Hände von etwa 25 Schuhfertigern“, sagt Bernsdorf.
Der Schuh entsteht
Und so geht’s: Ein ganz bestimmtes Leder für die Schuhe holen. Mit einer Schablone Striche auf das Leder malen. Das Leder vorsichtig zerschneiden. Noch mehr schneiden. Die winzigen Teile neu zusammenkleben, dann steppen. Mit spitzen Nägeln kleine Muster in das Leder stanzen. Ziernähte aufsetzen. Wieder steppen. Jeder Schritt wird von einer anderen Frau ausgeführt. Sobald eine fertig ist, legt sie die Einzelteile in eine Kiste und reicht sie an die nächste Frau weiter. Zum Schluss näht eine Mitarbeiterin die Sohle an das Oberteil des Schuhs – und zwar mit der Hand! Bei anderen Firmen wird das oft geklebt. Der Schuh sieht noch etwas knautschig aus. Deswegen werden die Leisten, das sind Füße aus Kunststoff, in den Schuh gesteckt, der Schuh wird erhitzt und danach kalt gemacht. Dann kommen die Leisten raus – und der Schuh hat seine Form.
Ab in den Laden
Wenn der Probeschuh so schön geworden ist, dass viele Händler ihn in ihren Schuhläden verkaufen wollen, werden nach dem Modell aus Hauenstein tausende weitere Schuhe in verschiedenen Größen produziert. Das passiert in Osteuropa. Denn dort verdienen die Menschen oft nicht so viel wie in Deutschland – es ist also meistens günstiger, die Schuhe dort zu produzieren. Manche Firmen lassen ihre Schuhe auch in Asien machen, dort ist es noch günstiger.
Und: Je mehr Schuhe eines Modells eine Firma bestellt, desto billiger sind sie. „Es ist fast immer so, dass die Schuhe in Deutschland entwickelt, aber im Ausland hergestellt werden“, sagt Paul Bernsdorf. Aber immer muss ein Mensch vor der Maschine sitzen und die einzelnen Teile aneinandersteppen. Einen Schuh ganz von einer Maschine machen zu lassen, ist noch nicht möglich.
Seit wann tragen die Menschen Schuhe?
Die Menschen tragen schon sehr lange Schuhe. „Früher haben die Menschen sich Felle von Mammuts oder Bären um die Füße gewickelt“, sagt Willy Schächter vom Deutschen Schuhmuseum in Hauenstein. Menschenfüße sind ziemlich empfindlich. „Mit den Fellen waren die Menschen besser geschützt vor Kälte, Dornen, Steinen oder Schlangenbissen.“ Richtig tolle Schuhe und Sandalen hatten auch die alten Römer. Sie unterschieden sogar zwischen rechts und links.
Auch im Mittelalter waren Schuhe für Bauern, Ritter oder Könige wichtig. König Ludwig XIV. (der Vierzehnte) aus Frankreich wollte mit seinen Absatzschuhen größer aussehen. Noch vor 50 Jahren wurden Schuhe in der Familie weitergereicht. „Früher waren Schuhe richtige Schätze“, sagt Willy Schächter. Man konnte nämlich nicht ständig neue im Internet bestellen.
Von Angela Sommersberg
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