Ein Interview mit dem Tiertrainer Andrew Simpson
Seit dem 17. März läuft der Familienfilm „Der Wolf und der Löwe“ im Kino. Darin geht es um einen jungen Löwen, der im Flugzeug zu einem Zirkus gebracht werden soll, und in der kanadischen Wildnis abstürzt. Er überlebt und trifft zufällig auf ein Wolfsjunges. Die junge Musikerin Alma nimmt die beiden Tiere bei sich auf und kümmert sich liebevoll um sie. Doch dann werden ihr die Tiere weggenommen… Der Schotte Andrew Simpson, der auch schon für die Serie „Game of Thrones“ gearbeitet hat, hat die beiden wilden Tiere trainiert. Wir haben mit ihm für Duda.news gesprochen.
Herr Simpson, in Ihrem Film „Der Wolf und der Löwe“ werden ein Löwenjunges und ein Wolfsjunges Freunde. Könnte das in echt passieren?
Nein, in der echten Welt würden die beiden sich vermutlich nie treffen, denn Wolf und Löwe leben ja in unterschiedlichen Regionen der Erde. Aber wie man im Film sieht, ist es möglich für die beiden, Freunde zu werden.
Löwe und Wolf sind unterschiedliche Arten – wie sprechen sie miteinander?
Zum Glück sprechen Tiere ganz anders miteinander als Menschen. Menschen haben viele Sprachen, Tiere kommunizieren vor allem über Geruch und Körpersprache. Wenn ein Wolf und ein Löwe zusammen aufwachsen – so wie wir das für den Film gemacht haben – dann können sie lernen, sich gegenseitig zu verstehen.
Wie ist denn überhaupt die Idee zum Film entstanden?
Ich habe Regisseur Gilles de Maistre in Afrika besucht, als er an dem Film „Mia und der weiße Löwe“ gearbeitet hat. Wir wollten ein anderes Projekt besprechen. Am Set habe ich einen der Tiertrainer kennengelernt, der mit den Löwen gearbeitet hat, und wir haben uns gut verstanden. Eines Abends sagte Gilles: Wie schade, dass es keinen Film gibt, in dem ihr beiden zusammenarbeiten könntet, aber ein Wolf und ein Löwe würden in der Realität ja niemals aufeinander treffen. Da hab ich gesagt: Naja, wie wäre es denn, wenn ein Löwe in einem Flugzeug transportiert wird, das Flugzeug würde in Kanada abstürzen und so würden Wolf und Löwe sich treffen? So ist die Geschichte entstanden.
Wie haben Sie die Tiere so trainiert, dass sie das machen, was sie sollen?
Die Tiere wachsen bei mir auf, deswegen kenne ich sie gut. Denn jedes Tier ist anders. Für den Film hatten wir vier Wölfe und zwei Löwen. Und die Persönlichkeit der beiden Löwen war sehr unterschiedlich. Walter, der Löwe, den man hauptsächlich im Film sieht, ist sehr schlau und fokussiert. Es war, als hätte er verstanden, dass er einen Job hat. Der andere Löwe ist total verspielt und lässt sich leicht ablenken. Dann haben wir beobachtet: Wie verhalten sich die kleinen Löwen und Wölfe in der Gruppe? Wer mag was, wer mag wen und wie entwickeln sie sich? Walter und Paddington, der Wolf, den man hauptsächlich sieht, konnten am besten zusammenarbeiten und waren gern zusammen. Das war die Basis, um den Film zu machen. Wir haben insgesamt 18 Monate gedreht, wir haben angefangen, als die Tiere noch ganz klein waren und aufgehört, als sie etwa anderthalb Jahre alt waren.
Ja, aber wie haben Sie die Tiere denn dazu bekommen, das zu machen, was im Drehbuch steht?
Die kurze Antwort ist: 30 Jahre Erfahrung. Man muss die jeweilige Tierart verstehen und Wege finden, mit ihr zu kommunizieren. Ganz einfach ausgedrückt haben wir für diesen Film mit einem Hund und einer Katze gearbeitet. Ein Hund ist sehr glücklich, wenn er dich zufrieden stellen kann, er ist der beste Freund des Menschen und gut zu trainieren. Ein Löwe ist eher wie eine sehr große und schwere Katze und manche Katzen denken, sie wären der Chef und du müsstest sie bedienen. Man muss herausfinden, was den Löwen motiviert. In unserem Fall hat es sehr geholfen, dass Walter und Paddington eine gute Beziehung zueinander hatten. Walter ist Paddington oft einfach hinterhergelaufen, weil er bei seinem Freund sein wollte.
Trotzdem sind die beiden wilde Tiere. Wie haben Sie die Schauspieler, vor allem die Hauptfigur Alma, und das ganze Team geschützt?
Es ist wichtig, dass die Tiere sich in ihrer eigenen Geschwindigkeit entwickeln können und ihre Umgebung kennenlernen. Walter und Paddington sind quasi am Filmset und mit uns Tiertrainern aufgewachsen, sie wussten: Wir werden mit einem Wagen herumgefahren, machen ein paar verrückte Sachen, die Leute geben uns eine Belohnung und am nächsten Tag machen wir es wieder. Das war für sie normal. Ganz anders wäre es, wenn man ein erwachsenes Tier aus der Wildnis nimmt und in ein Filmset setzt. In so einer Situation würde vielleicht schon jemand verletzt. Auch Alma war von Anfang an dabei. Sie hat geholfen, die Tiere mit der Flasche zu füttern und hinter ihnen saubergemacht. So haben Walter und Paddington sie als Freundin und Teil ihrer Gruppe akzeptiert. Mir war außerdem sehr wichtig, dass Alma keine Angst vor den beiden hat, denn sonst hätte die Zusammenarbeit nicht funktioniert. Die Tiere spüren so etwas.
Ich habe gelesen, dass das Team beim Dreh in Käfigen gearbeitet hat. Stimmt das?
Ja, als die Tiere etwa ein Jahr alt waren, haben wir das gemacht. Walter war damals schon sehr groß, er wog mehr als 90 Kilo. Ich weiß zwar, was die Tiere tun werden, aber ich konnte mir niemals sicher sein, wie die Menschen sich verhalten. Ich habe zu allen Mitarbeitern gesagt: Bitte rennt und schreit am Set nicht, das verunsichert die Tiere. Aber wenn man so mitten in der Arbeit ist, kann man das vergessen. Deswegen war es sicherer in den Boxen.
Warum sind Sie Tier-Trainer geworden?
Ich bin in Schottland mitten im Nirgendwo aufgewachsen. Es gab nur meinen Bruder, Hunde, Katzen, Mäuse und sonst nichts. Wir haben immer gerne Filme geguckt und ich wollte Stuntman werden. Ich wusste überhaupt nicht, dass es Jobs in der Filmindustrie gibt, bei denen man mit Tieren arbeiten kann. Als ich 20 war, bin ich nach Australien gegangen und habe bei einem Film mitgearbeitet. Darin ging es um Dingos, also diese wilden australischen Hunde. Zufällig sollte ich der Frau helfen, die die Dingos trainiert. Ich fand das richtig cool! Später bin ich dann nach Kanada gegangen und irgendwann habe ich meine eigene Firma gegründet. Tiertrainer ist ein toller Job.
Sie arbeiten hauptsächlich mit Wölfen zusammen. Wie kommt das?
Bei einer Firma, für die ich gearbeitet habe, gab es einen Wolf. Die anderen Trainer haben ihn behandelt wie einen Hund, aber das hat nicht funktioniert. Ich habe einen anderen Ansatz gewählt und es hat geklappt! Viele Filmemacher wollen Wölfe in ihren Filmen haben, aber für einen Wolf muss man sich Zeit nehmen. Deswegen nutzen viele eine Abkürzung und nehmen stattdessen einen Husky oder einen gefärbten Hund.
In Deutschland waren Wölfe lange Zeit ausgestorben, doch seit einigen Jahren kommen sie zurück. Manche Menschen haben aber Angst vor ihnen. Was würden Sie ihnen sagen? Was mögen Sie an Wölfen?
Wir haben dieselbe Diskussion in Schottland, man überlegt, den Wolf dort wieder anzusiedeln. Das Problem beginnt bei den Nutztieren: Ein Wolf ist ein Raubtier und für ihn ist ein Schaf eine Möglichkeit, etwas zu essen. Für die Bauern ist es natürlich schlimm, wenn ihr Schaf gerissen wird. Die Angst vor dem Wolf hat aber viel mit den Märchen zu tun. In echt passiert es sehr, sehr selten, dass ein Wolf einen Menschen attackiert, höchstens dann, wenn der Wolf krank ist. Aber klar, auch wir machen Horrorfilme, in denen Wölfe Menschen angreifen. Deswegen drehen wir zusätzlich oft Dokumentationen hinter den Kulissen, damit die Leute sehen, wie die Wölfe wirklich sind. Sie sind nämlich sehr gefühlvolle und soziale Tiere. Sie haben ein richtiges Familienleben mit Mutter, Vater und Kindern. Und wenn ein Tier krank oder alt ist, umsorgen die anderen es. Das finde ich sehr faszinierend.
Im Film muss der Löwe in einem Zirkus arbeiten. Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, ob man Tiere in Zirkussen halten kann. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ehrlich gesagt war ich noch nie in einem Zirkus, das gab es einfach nicht, dort wo ich aufgewachsen bin. Ich kenne aber natürlich die Berichte über Tiere, die in Zirkussen schlecht behandelt werden. Zum Glück gibt es aber ja auch Zirkusse ohne Tiere, nur mit Clowns und Artisten. Gleichzeitig gibt es auch Menschen, die sagen: Es sollte keine Tiere in Filmen geben. Ich weiß nicht, ob sie Recht haben, aber alles was ich tun kann, ist, verantwortlich mit den Tieren umzugehen und ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Wenn die Tiere nicht vor der Kamera stehen, werden sie bei uns nicht in Käfige gesperrt. Und wenn ein Tier nicht mehr arbeiten will, dann ist das okay für uns und das Tier darf in seiner Gruppe bleiben. Ich hoffe einfach, dass andere Menschen ihre Tiere genauso nett behandeln, wie ich meine.
Wie geht es Walter und Paddington heute?
Alle sechs Tiere leben bei mir in Kanada. Paddington, der Wolf, ist jetzt ausgewachsen und wiegt etwa 54 Kilogramm. Er lebt zusammen mit seinen drei Geschwistern in einem Rudel. Walter, der Löwe, lebt mit seinem Bruder zusammen und wächst immer noch. Das letzte Mal, als ich ihn gewogen habe, war er 175 Kilogramm schwer. Zwischen Walter und Paddington gibt es jetzt also einen großen Unterschied. Deswegen dürfen sie nicht mehr zusammen spielen und frei laufen, so wie im Film. Walter könnte Paddington verletzten, ohne es zu wollen. Aber die beiden sehen sich immer noch jeden Tag und sind Freunde.
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